Microservices in der Praxis: Was im Alltag wirklich zählt
Wenn du schon mal darüber nachgedacht hast, deine große Softwareanwendung in Microservices aufzuspalten, bist du nicht allein. Der Hype um Microservices ist nach wie vor groß. „Bessere Skalierbarkeit!“, „Mehr Unabhängigkeit der Teams!“, „Technologievielfalt!“ – das klingt alles ziemlich gut, oder? Aber wenn du dich tiefer in ein echtes Projekt stürzt, wirst du schnell merken: Die Realität ist deutlich komplexer. In diesem Artikel schauen wir uns an, was bei Microservices wirklich zählt. Keine Theorie, keine Buzzwords, sondern echte Learnings aus der Praxis.
Was Microservices in der Theorie versprechen
In der Theorie geht es bei Microservices darum, eine große Softwareanwendung in kleine, unabhängige Services aufzuteilen. Jeder dieser Services ist für genau einen fachlichen Bereich zuständig und kommuniziert über klar definierte Schnittstellen mit anderen. Im besten Fall können diese Services voneinander unabhängig entwickelt, getestet, deployed und skaliert werden. Das verspricht mehr Flexibilität, bessere Wartbarkeit und eine Organisation, die besser auf verteilte Teams passt.
In der Praxis sieht das allerdings oft ganz anders aus.
Grenzen und Stolpersteine aus echten Projekten
Verteilte Systeme sind inhärent komplex
Die erste große Ernüchterung kommt meist schnell: Du hast es plötzlich nicht mehr mit einem System zu tun, sondern mit zehn, zwanzig oder mehr. Kommunikation findet über das Netzwerk statt, was bedeutet: Du musst dich auf Timeouts, Latenz und Teilausfälle einstellen. Jedes neue Service-to-Service-Gespräch ist ein potenzieller Fehlerpunkt. Du brauchst zentrale Monitoring- und Logging-Lösungen, um überhaupt noch nachvollziehen zu können, was wann wo schiefläuft.
Die Datenhaltung wird zur Herausforderung
„Jeder Service braucht seine eigene Datenbank“ – so steht es in vielen Architekturbüchern. Und ja, das hat gute Gründe: Es fördert die Unabhängigkeit und die Isolation. Aber in der Praxis? Viele Domänen sind nicht wirklich voneinander isoliert. Daten müssen synchron gehalten werden, es entstehen Abhängigkeiten durch geteilte IDs, Events oder gar inkonsistente Stände. Eventual Consistency klingt in der Theorie okay, aber wenn dein Kunde plötzlich einen Zahlungsstatus sieht, der nicht zu seiner Bestellung passt, wird es schnell ungemütlich.
Der Overhead ist nicht zu unterschätzen
Was bei einer Softwareanwendung eine einfache Methode war, ist in einem Microservice-Umfeld oft eine API. Und das bedeutet: Versionierung, Authentifizierung, Dokumentation, Tests, Monitoring. Der Aufwand für jedes Feature steigt. Dazu kommt: Wenn du für jeden Service ein eigenes Repo, ein eigenes Deployment und eigene Pipelines hast, muss dein Team stark in DevOps, CI/CD und Automatisierung investieren. Sonst wird jeder Release zum Albtraum.
Teams brauchen andere Skills
Entwickler, die sich in einer Softwareanwendung prima zurechtgefunden haben, kommen in einem Microservice-Setup oft ins Schwimmen. Plötzlich muss man mehr über Netzwerk, APIs, Infrastruktur und Deployment wissen. Das bedeutet Schulung, Mentoring und viel mehr Kommunikation. Auch Teamgrenzen werden wichtiger: Wer ist für welchen Service verantwortlich? Wer spricht mit wem, wenn etwas nicht läuft?
Der ROI ist nicht immer gegeben
Der Umstieg auf Microservices ist kein Selbstzweck. Es gibt viele Systeme, bei denen eine gut strukturierte Softwareanwendung mit Modulen, klarer Architektur und automatisierten Tests völlig ausreichend ist. Microservices lohnen sich dann, wenn Skalierung, Unabhängigkeit und Releasefrequenz geschäftskritisch sind. Wenn du nicht genau weißt, warum du sie brauchst, brauchst du sie wahrscheinlich (noch) nicht.
Was in der Praxis wirklich zählt
Zentrale Logging- und Monitoring-Lösungen
Du brauchst einen Ort, an dem alle Logs zusammenlaufen. Ob das ELK, Loki+Grafana oder ein Cloud-Dienst wie Datadog ist, ist zweitrangig. Wichtig ist: Du musst Korrelationen erkennen können. Wenn ein Request durch fünf Services wandert, brauchst du Tracing und korrelierte IDs. Nur so kannst du Fehlerquellen wirklich eingrenzen.
Klare Servicegrenzen und Ownership
Ein Microservice, der nicht autonom ist, ist kein Microservice. Halte deine Grenzen so, dass Services unabhängig deploybar und testbar sind. Jeder Service sollte einem Team gehören, das die Verantwortung übernimmt – fachlich wie technisch. „Shared Ownership“ klingt gut, führt aber oft zu Verwässerung der Zuständigkeiten.
Kontrakte und Schnittstellen hart testen
Du brauchst Tests, die deine Schnittstellen absichern. Contract Tests (z. B. mit Pact) helfen dabei, API-Inkompatibilitäten zu vermeiden. Versioniere deine APIs sauber und dokumentiere sie mit OpenAPI/Swagger, damit andere Teams sich darauf verlassen können.
Automatisierung auf allen Ebenen
Ohne eine starke CI/CD-Pipeline wirst du unter der Komplexität ersticken. Automatisiere Tests, Linting, Deployments, Rollbacks und Staging-Umgebungen. Tools wie GitHub Actions, GitLab CI, ArgoCD oder Jenkins X helfen dir, den Prozess in den Griff zu bekommen.
Asynchrone Kommunikation sinnvoll einsetzen
Nicht alles muss synchron sein. Nutze Messaging-Systeme wie Kafka, RabbitMQ oder NATS, um lose Kopplung zu ermöglichen. Events können Services voneinander entkoppeln, bringen aber auch eigene Herausforderungen mit sich: Du brauchst idempotente Handler, Retention-Strategien und Monitoring für Event-Flows.
Fehler und Timeouts sind keine Ausnahme, sondern die Regel
Baue Resilienz ein: Retries mit Backoff, Circuit Breaker, Timeouts, Fallbacks. Nutze Libraries wie Hystrix, Resilience4j oder eigene Patterns, um mit Fehlern umzugehen, bevor sie deinen Kunden treffen. Chaos Engineering kann dir helfen, Schwachstellen im Vorfeld zu entdecken.
Fazit: Microservices sind ein Werkzeug, kein Ziel
Microservices bieten viele Vorteile – aber sie haben ihren Preis. Wenn du die Architektur wählst, weil du konkrete Probleme damit lösen kannst, ist das großartig. Aber einfach nur auf den Zug aufzuspringen, weil „alle das machen“, endet oft in Frust, Mehrarbeit und unübersichtlichen Systemlandschaften.
Im Alltag kommt es weniger auf perfekte Patterns und puristische Prinzipien an, sondern auf pragmatische Lösungen. Baue dir ein Ökosystem, das dein Team beherrscht. Fokussiere dich auf gute Observability, klare Zuständigkeiten und solide Automatisierung. Und denk dran: Auch eine große Softwareanwendung kann sauber, wartbar und erfolgreich sein. Microservices sind kein Heilsversprechen – aber mit dem richtigen Setup ein mächtiges Werkzeug.
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